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Martin Schulz ist weit mehr, als nur ein SPD Poster-Boy.
Als der Street-Art-Künstler Shepard Fairey 2008 sein HOPE-Plakat mit dem Konterfei von Barack Obama zu dessen Unterstützung im damaligen Präsidentschaftswahlkampf gestaltete und in die Welt setzte, war das originell, orginal und kampagnentauglich. Ganz sauber im Sinne des Urheber- und Verwertungsrechtes war Faireys künstlerisches Schaffen allerdings damals nicht, hatte er sich als Vorlage für seine grafische Plakatgestaltung, ungefragt und unlizensiert eines Pressefotos bedient. Es kam damals zu Rechtstreiten und Vergleichszahlungen – alles inzwischen beigelegt. Vor wenigen Wochen ging Shepard Fairey im Zuge der Amtseinführung von Donald Trump erneut mit Plakaten im „Hope-Style“ an die Öffentlichkeit. Diesmal mit einer Serie von Portraits amerikanischer Bürger unter dem Titel „We the people – are greater than fear“. Abgebildet sind Menschen aus Bevölkerungsgruppen, die im jüngsten US-Wahlkampf durch zahlreiche Aussagen Donald Trumps diskriminiert wurden. Und Fairey hat medientechnisch dazugelernt – die Fotos als Vorlage für seine neue Plakat-Serie hat er im eigenen Auftrag herstellen lassen.
Seit die Obama-Plakate mit dem Titel HOPE in Umlauf gebracht wurden, fanden sie zahlreiche Nachahmungen in diversen Zusammenhängen. Wie so oft in der digitalisierten Medienwelt wurde aus einem Trend ein Hype und plötzlich war die Welt voller Plakatgestaltungen á la Fairey. Ideenklau, Urheberrecht, Respekt vor der künstlerischen Originalität, Lizenz- und Vergütungsaspekte und letztendlich auch finanzielle Fragen – alles wurscht in der Netzwelt der Copy-and-Paste-Trittbrettfahrer. Schnell entstand so etwas wie jener „Post-Monroe-Effekt“ der 1980er Jahre, als die halbe Welt mit Motiven im Stil der Marilyn-Monroe-Siebdrucke von Andy Warhol, T-Shirts, Kaffeetassen, Aktenordner und Klo-Deckel bedruckte.
Auch im Zuge der Trump-Kampagne bedienten sich dessen
Unterstützer in der Netztwelt des Hope-Motives von Shepard Fairey und –
diversen Filtern in Bildbearbeitungsprogrammen sei Dank – bastelten sie
sich als Plagiat ihr Trump-Plakat im Hope-Style zusammen. Unterzeile nun
aber nicht mehr HOPE, sondern MAGA, Abkürzung für „Make America Great
Again“.
Unzählige Postings durchfluteten die Sozialen Netzwerke von
Facebook bis hin zum kruden Kreativ-Tummelplatz Reddit (eigener Claim:
the frontpage of Internet), einem in den USA weithin genutzten
Internet-Portal für die Darstellung und Verbreitung von allerlei
audio-visuellen Ausdrucksformen. In der Reddit-Rubrik .../The_Donald
mischten sich teils spaßige Bild-Montagen, teils klare
Bekenner-Statements mit zahlreichen Jubel-Botschaften bezüglich Trump
und seiner oft martialischen und gelegentlich menschenverachtenden
Kurz-Kommentaren zur US-Politik und zum Weltgeschehen. Anfangs hatten
all diese spontan ins Netz gestellten, Memes genannten Grafik- und
Text-Botschaften, noch einen schleichend subversiven, oftmals auch Trump
kritisierenden Charakter, doch schnell schlugen die Inhalte in den
Reddit-Rubriken in volle Unterstützung bis hin überbordende Begeisterung
für Trump um und begannen innerhalb der Kampagne ihr spezielles
Eigenleben im Netz zu entwickeln.
In Anlehnung an Film-Figuren (der
Pate) oder historisch zweifelhafte Staatenlenker wurde Trump zum
„Godfather“, „God Emperor“, „Wall-Master“, „High Energy Imperator“, der
mit seinem „Trump-Train“ ganz Amerika mitreißt, stilisiert und überaus
unreflektiert abgefeiert. Kein HOPE, nur noch Glory und Hallelujah für
einen amerikanischen business man, dessen fragwürdiges Geschäftsgebaren
und verdrehte Weltsicht den Amerikanern schon lange Jahre vor dessen
Ankündigung für das Präsidentenamt zu kandidieren, bekannt war. Und so
geriet der ganze Netz-Hype rund um Trump – gewissermaßen im back office
der offiziellen Kampagne – mit all seinen wirren und irren Bild- und
Text-Botschaften zu einem relativ schlagkräftigen Wahlkampfinstrument.
Aus der einst gut gemachten Unterstützer-Kampagne für Barack Obama aus der Feder von Shepard Fairey war eine missbrauchte und ins Gegenteil verwandelte Netz-Aktion jener geworden, die sich auch in Amerika irgendwie als besorgte und benachteiligte Bürger fühlen. Viel wallende und wabernde Gefühl bei Vielen, unter denen sich tatsächlich gar nicht so viele finden lassen, die sich de facto als jene Massenbewegung der Zukurzgekommenen definieren lassen – wie es Trump den Amerikanern glauben machen will.
In Deutschland – dem Land, in dem der Begriff der Kreativwirtschaft seit jüngerer Zeit in aller Munde ist – hinkt man den technologisch-kulturellen Kreativleistungen der Amerikaner oftmals lange hinterher. Das war beim Kaugummi und den Nylonstrümpfen so, bei Elvis, als er über Heidelberg kommend, den Rock’n Roll nach Deutschland brachte, beim Internet, bei Google, Apple und beim Coffee to go. Und im Falle der NSA dachte die Kanzlerin auch rund zehn Jahre lang, dass man sie und ihre lieben Bevölkerungskinder nicht durch US-Freunde überwacht. Und nun – fast zehn Jahre nach HOPE mit Obama - nun MEGA mit Schulz.
Schulz-Schwadrone
ziehen seit dem Jahreswechsel 2016/17 durch die Netzwelt, nicht nur mit
der Tweet-Trompete und im Facebook-Furor sondern eben auch unter der
Subreddit-Rubrik .../r/the_Schulz. Bis 12. Februar 2017 20:00 Uhr läuft
hier seit wenigen Tagen ein Wettbewerb zur Einreichung von
Schulz-Memes. Thema: „Danke, Martin!“ - und dazu irgendwas rund um
Schulz gestalten und als OC-Meme (OC – original content) posten. Oha –
also keine Fakes. lol.
Gewinnerpreis ist eine einmonatige
Reddit-Gold Mitgliedschaft. Man darf gespannt sein was da noch alles auf
Deutschland im Netz zukommt.
Durchaus auch spannend, aber wenig
wünschenswert dürfte man im Hause der seit Mitte Dezember 2016 sehr spät
verpflichteten Werbeagentur KNSK das ganze prä-faktische Netztreiben im
Vorfeld einer noch zu erarbeitenden Kampagne für die SPD zur
Bundestagswahl 2017 bewerten. Klar – gegen kreativ konstruktive
Kollateral-Aktivitäten zur Unterstützung einer Lead-Kampagne kann selbst
der konservativste Konzeptioner nichts haben. Doch das Problem liegt
hier.
Wegen des ewigen Hin-und-Her von Sigmar Gabriel hinsichtlich
der Ausrufung eines Kanzlerkandidaten ist man zeitlich sehr in Verzug
geraten, was die Wahlkampfplanung betrifft. Ursprünglich hieß es ja noch
bis in die Vorweihnachtszeit 2016 hinein, dass der SPD-Kanzlerkandidat
erst Mitte März 2017 benannt werden soll. Der K-Frage-Termin wurde
vorgezogen, auf den bekanntlich 29. Januar 2017. Schulz-Day. Und wieder
mal war es der STERN, der die Geschichte irgendwie neu geschrieben hat.
Nochmals lol.
Erst Mitte Dezember 2016 verpflichtete man seitens
der SPD die Agentur KNSK. Der alte Weggefährte und
SPD-Kommunikationskenner Frank Stauss hatte da längst das Handtuch
geworfen und war aus Verhandlungen seiner Agentur über den Auftrag zur
Gestaltung der Bundestagswahlkampf-Kampagne für die SPD ausgestiegen.
Grund – er fand das Sigmar Gabriel zu lange zögerte, ob er selbst oder
jemand anderes in den Ring steigen sollte.
Es entstand also eine Art
Lücke oder Vakuum bezüglich der Kampagnenplanung infolge zu später
Festlegung auf den Spitzenkandidaten und diese Lücke füllten ab
Jahrswechsel 2016/17 allerlei Netz-Aktivisten. Inzwischen so beachtlich
–wenn auch halbwegs unkoordiniert - dass sich in der Netzwelt in kurzer
Zeit bereits eine Art Schulz-Setting mit Bild- und Text-Botschaften
entwickelt und herausgebildet hat, die weder von der führenden Agentur
noch den Wahlkampfmanagern in der SPD gesteuert sind oder deren Vorgaben
und Kontrolle unterliegen. Das kann unter dem Strich nicht
wünschenswert sein, wenn man eine Kampa 2017 ernsthaft und zielgerichtet
wirksam etablieren und betreiben will.
Gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht. Struktur-strategisch gehen die Schulz-Unterstützer – allen voran viele Jusos - fast ähnlich vor, wie einst die Trump-Supporter. Hype him high, so lautet die flachgeistige Losung. Funny, fuzzy und ein wenig auch fake flacky shaky wird an der neuen Erzählung – oh sorry – am neuen Narrativ - für Martin Schulz getextet, gestaltet und bebildert. Mittendrin der Abklatsch vom Abklatsch vom Abklatsch – das inzwischen mehrfach plagiatierte Plakat-Motiv aus Obamas Erfolgstagen. Unterzeile nun – MEGA statt HOPE. MEGA steht für ‚Make Europe Great Again’.
Eigentlich wollen die
Europäer und auch die SPD das ‚’’Great Europe’ als Antwort auf ein
‚Great Amerika’ gar nicht, weil man bei allem Wettbewerb um die großen
Kuchen nicht den Konfrontationskurs, sondern weiterhin Partnerschaft und
Konsens zu pflegen und zu erhalten sucht – auch wenn es mit der
Trump-Administration absehbar hart zur Sache in vielen Zukunftsfragen
gehen wird. Selbst Günther Oettinger hielt sich zurück indem er
prononciert sagte: If Amerika seis först - sän wie häv tu sei Jurop
zäckend. Gut gebrüllt, Herr Haushaltskommissar. Mit dem zweiten Platz
steht man auch mit beiden Beinen fest auf dem Siegertreppchen.
Aber egal. Hauptsache Hype; das sagen sich besonders die Jusos. Gestalterisch – gewissermaßen in Form einer von Netz-Nerds vorschnell gestrickten Klein-Kampagne zur Bundestagswahl im September 2017. Und man scheut sich dabei auch nicht, die amerikanischen Terminologien der Trump-Supporter einfach ins deutsche zu übernehmen bzw. umzumünzen. Aus Trump, dem im Netz als ‚Wall building Godfather riding on a Trump train’ gefeierten Donald wird nun der ‚Brücken bauende Gottkanzler’ Martin förmlich angebetet.
Im Hause diverser Juso-Gruppen stapeln sich bereits Schulz-MEGA Postkarten, Aufkleber und so manche Jute-Tasche mit dem plagiatierten HOPE-Motiv. „wo bekommt man solche her, ohne gebremst zu werden?“, fragt „Martin ‚jahesc’ Chulz!“ In einem Posting. Denn „Martin ‚EiserneFront’ Chulz!“ hat heute ein Paket bekommen. Er zeigt uns Reddit-Usern auch das Bild dazu – ein Karton voller MEGA-Motiv Postkarten frisch von der Online-Druckerei. Und im Willy-Brandt-Haus legen die Mitarbeiter hektisch Excel-Listen an, damit Katarina Barley schon im Juni 2017 allen SPD-Gliederungen im Land per Info-Mail hocherfreut mitteilen kann, dass das SPD-Druckportal dann frei geschaltet ist. Und wahrscheinlich wie in den zurückliegenden Wahlkämpfen nicht befriedigend für alle funktionieren wird. Oder so ähnlich. Jedenfalls – Kandidat, Konzepte und Kampa sind werbetechnisch zur Vorbereitung des Bundestagswahlkampfes der SPD ziemlich spät dran und müssen sich gehörig sputen, um möglichst schnell eine konkrete, verlässliche und kampagnenfähige Kommunikationsstrategie zu erarbeiten und in der Öffentlichkeit zu platzieren. Hier lautet das Motto also nicht „Zeit für Martin Schulz“, sondern „Tempo machen SPD“.
Martin
Schulz selbst, auch etwas vorschnell, goutierte das ganze
Netz-Nerd-Gehabe dann auch noch in einer Video-Botschaft an die
Reddit-Aktivisten sowie durch einen persönlichen Danksagungsanruf beim
Juso-Vorsitzenden Mannheim, der ihn in einem ARD-Bericht über eine
SPD-Versammlung spontan „Geile Sau“ nannte. Echt cool – quatsch -
megahypercool. 10 Sekunden Morgenmagazin O-Ton aus irgend einem muffigen
Ortsvereinshinterzimmer.
Politik ist echt endgeil, wenn da nicht
vorher all die vielen Inhalte und Programmthemen, die schwierigen
Meinungsbildungsdiskussionen und die aufwendigen
Mehrheitsbildungsprozesse zur Sicherung der rechtstaatlich verankerten
Demokratie in unsicheren Zeiten wären. Wenigsten bis zum Jahr 2025.
Genauer
betrachtet – an dieser Stelle freut sich der Autor auf Shitstorm – sind
die Jusos derzeit gar nicht mal so sehr von schon lang gehegter
Sympathie und pragmatischer Vorarbeit innerhalb der Partei zur
Etablierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat getrieben. Martin
Schulz ist – er selbst kann dafür rein gar nichts – für viele in der SPD
- dabei vor allem für die Jusos – auch das Ventil über das nun endlich
der Hader mit, der Frust über und die teilweise Ablehnung von Sigmar
Gabriel, als Druckerleichterung abgelassen werden kann. Man mag jetzt
plötzlich so sehr den Schulz, weil man vorher den Gabriel nicht mögen
mochte.
Schulz schwebt deshalb plötzlich so hoch oben, weil sich in
der SPD ein physikalisch simpler Auftrieb entfacht, der dadurch
ausgelöst wurde, das Sigmar Gabriel ging – nicht aber weil Martin Schulz
kam oder schon lange im kommen war.
Die abgegriffene
Wahlkampffloskel vom ‚frisch wehenden Wind’ soll hier trotzdem zum
Abschluss bemüht werden. Kein Zweifel – Martin Schulz ist die bessere
Personallösung an der Spitze. Doch jedwede Spitze lässt sich ohne den
Schaft der Nadel, des Nagels oder gar eines Schwertes nicht ausformen
und stichhaltig ins Feld führen. Wichtig ist, was hinten dran hängt,
das, woraus die Spitze gebildet wird.
In Materialkunde hat die SPD
stets gute Noten gehabt. Gehapert hat es oft in Sachen
Verfahrenstechnik. Beides aber muss einander ergänzend zusammenwirken,
wenn es gut werden soll. In diesem Bild bleibend hat die SPD derzeit
tatsächlich eine gute Chance in diesem Richtungswahlkampf 2017 mit
Martin Schulz wichtige Weichen zu stellen und die richtigen Räder zu
drehen. Dies aber nur, wenn so schnell wie möglich wieder eine
ernsthafte Balance zwischen Schulz-Hype und Gabriel-Bashing hergestellt
wird. In diesem auch für die SPD enorm zukunftswichtigen Wahlkampf muss
der Spitzenmann in jeder Hinsicht den gemeinsamen Willen, die einigenden
Ziele und somit die Geschlossenheit der Partei verkörpern –
personell-populär ebenso wie inhaltlich-pragmatisch. Es geht dabei nicht
um Hyper-Hyper-Hyper, sondern um die Fähigkeiten große
Herausforderungen gesamtgesellschaftlich tragfähig bewältigen zu können.
Geschätzte
Jusos – runter vom hohen Ross und sattelfest rauf auf’s richtige Pferd.
Es geht nicht um MEGA oder sonst welche Hipster-Floskeln – es geht um
ein anderes four letter word. Es geht um unser LAND im europäischen
Verbund eingebunden in eine globalisierte Welt. Unabgestimmte
kampagnentechnische Sonderwege sind hierbei im Hinblick auf die kommende
Bundestagswahl 2017 nicht sonderlich hilfreich.
Es gilt also mit Martin Schulz der alte Musketier-Slogan – alle für einen und einer für alle.
KOMMENDE VERANSTALTUNG
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