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Das Duell · Teil 2

A ! S / R. Eichert · Heumaden / Stuttgart · Im Vergleich zur ersten Debatte hat sich Donald Trump beim zweiten Schlagabtausch mit Hillary Clinton besser präsentiert, wobei hier gleich zu Beginn betont werden muss, das mit dem Begriff „besser“ nicht die Inhalte und politischen Konzepte, sondern die Form und Strategie gemeint sind. Hillary Clinton – in der ersten Debatte souverän und das gesamte Szenario über weite Strecken zu ihren Gunsten beherrschend – blieb in dieser zweiten Runde hinter den Erwartungen zurück.

Erwartbar wäre gewesen, das die demokratische Bewerberin über ihre, oft wie altkluge und detailverliebte Kurzreferate daherkommenden Botschaften, hinaus, mehr visionäre Begeisterung durch das drehen großer Räder im politischen Geschäft vermittelt. Ihre Kampagne unter dem Slogan „Stronger Together“ im Zusammenhang mit ihren politischen Konzepten wirkt nach wie vor eher wie ein „Make Me Strong“ Appell und zu wenig wie der – eigentlich beabsichtigte - Aufruf an die Amerikaner, mehr gemeinsame Stärke im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Miteinanders an den Tag zu legen. Clinton fehlt die Vision.
Sie hat ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem bezüglich dessen, was sie sagt und wie sie handelt. Und sie gilt in weiten Kreisen der Bevölkerung als eine Art bad mom des Clinton-Clans, ist dabei auch in demokratischen Wählerkreisen teilweise unbeliebt. Nicht zuletzt auch wegen ihrer Intrigen hinter den Kulissen in der Auseinandersetzung mit Bernie Sanders während des jüngst zurückliegenden Vorwahlkampfes sowie auch wegen ihrer relativen „Stutenbissigkeit“ gegen Barack Obama im demokratischen Vorwahlkampf 2008.

Demgegenüber hat Donald Trump unter seinem Kampagnen-Slogan „Make America Great Again“ allzu viele Visionen im Kopf, die eher von wirrem Geist zeugen, denn von klaren Konzepten. Doch in dieser zweiten Debatte ging es gar nicht um die Politik, um gesellschaftspolitische Konzepte, parteipolitische Angebote, um visionäre Entwürfe oder um klare Faktenlagen. In dieser Debatte ging es, wenn auch mit unterschiedlichen Gewichtungen, fast ausschließlich um die privaten Befindlichkeiten und persönlichen Beteuerungen zweier Alpha-Tiere. Und zwar in dieser Reihenfolge – erst ich, dann das Land und dann die Menschen. Es ging um die Rettung der jeweils eigenen Kampagne während 90 Minuten TV-Talk vor einem millionenfachen Publikum. Und hier war Trump besser – unter dem Stichwort Schadensbegrenzung.

In amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfen und besonders in diesem, geht es einerseits natürlich um bestimmte politische Konzepte, Richtungsorientierungen und die damit einhergehenden Angebote an die Wähler. Aber andererseits geht es um die eigene Kampagne. Diese ist weitaus wichtiger und bedeutsamer als der Bereich der politischen Themensetzungen und deren inhaltliche Vermittlung.
In deutschen Wahlkämpfen kommt fast immer in jeder Partei die Frage auf, inwieweit die durchweg umfangreichen und bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Wahlprogramme im Zusammenhang mit Partei und mit Spitzenkandidaten „kampagnenfähig“ sind? Die Antwortet lautet oft – Themen, Inhalte und Personalportfolio sind OK, aber die Kampagne lässt zu wünschen übrig oder funktioniert nicht wie geplant und gehofft. Und schwupps wird die Kampagne während ihres Fortganges geändert, gelegentlich sogar gestoppt und durch eine andere Gangart ersetzt.

Genau andersherum im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf dieser Tage. Kampagne über alles. Denn die Kampagne ist mit Haut und Haar mit den kandidierenden Personen verwoben, ja die Person und ihre Eigenschaften sind geradezu wesentlich prägende Bestandteile der Kampagne und den ihr innewohnenden strategischen und medialen Momenten der Ansprache und Kommunikation in Richtung Wähler. Die Amerikaner haben es eher mit zwei Kandidierenden zu tun, die aus einer Art demokratischem Produktentwicklungsprozess zur Marktreife geführt wurden und nun jeweils als die Marke Trump und die Marke Clinton im Regal von gods own country stehen; als diese zwei Markenartikel zur Wahl stehen. Aber weniger im Sinne einer echten Substanz und Nutzanwendung, sondern eher als ein emotionalisiertes Gebrauchswertversprechen. Auf der einen Markenartikelverpackung steht drauf „Make America Great Again“ und auf der anderen „Stronger Together“.
Es ist ähnlich wie beim marketing battle konkurrierender Produkte, die um die Verbrauchergunst kämpfen. Nicht der wahre, substanzielle Warenwert und seine tatsächliche Nutzanwendung stehen dabei im Vordergrund, sondern das emotionalisierte Gebrauchsversprechen. Wenn wir Coca-Cola trinken, dann trinken wir ein Lebensgefühl und nicht ein substanziell benötigtes und den Durst löschendes Lebensmittel.

The Donald, wie ihn Barack Obama gerne nennt, musste in dieser zweiten Debatte eben dieses „Lebensgefühl Trump“ retten, seine über Monate und rund zwei Jahre hinweg aufgebaute Marke inklusive Marken-Kampagne weiter am Leben halten. Denn – und das ist der wesentliche Unterschied zu Hillary Clinton und der Kampagne der Demokraten rund um ihre Person – Donald Trump ist als ein in diesem Präsidentschaftswahlkampf erfolgreich gewordener Marken-Artikel eben kein echtes Produkt des Unternehmens GOP (grand old party), wie die Republikaner traditionell genannt werden. Trump is Trump, period. Die Republikaner haben lediglich lernen müssen, mit ihrem aktuellen bestseller zu leben, weil eben auch dies gilt – Trump sells. Parteipolitisch schmerzt dies enorm in den Reihen der Republikaner – but what the hack, it’s the business, stupid and not the politics.

Und so ist es Trump in der zweiten Debattenrunde tatsächlich gelungen, seine Marke aufrecht zu erhalten, sich bezüglich des jüngst – nach rund zehn Jahren wieder - publik gewordenen Videos mit seinen frauenfeindlichen Bemerkungen nach Trump-Art zu entschuldigen und zugleich mit einigermaßen guter Selbstbeherrschung sowie mit ein paar verständlicheren politischen Botschaften, wieder etwas mehr Ruhe ins eigene Lager zu bringen.
Das er dabei zugleich weiter auf Konfrontationskurs bleibt, auch verstärkt in Richtung einiger Persönlichkeiten der Republikaner, ist kampagnentechnisch nur logisch. Man darf, ja man muss teilweise auch die Krawall-Attitüde Trumps verurteilen, aber man sollte nicht den Fehler machen, den größten Poltergeist in der Geschichte amerikanischer Präsidentschaftswahlen zu ignorieren, wegdiskutieren zu wollen oder ihn ebenso zu diffamieren, wie er es selbst gegenüber anderen tut.
Dazu ist Trump – allein wegen seiner hohen Mobilisierungskraft - eine zu ernste Personalie. Eine durchaus problematische Person, die letztendlich Ergebnis eines Nation und ihres politischen Systems ist, dass bis heute ein paar Schwierigkeiten hat, die eigene und berechtigte Größe und Großartigkeit in der Weltgeschichte so vernünftig zu relativieren und selbstreflektorisch einzuordnen, dass Wunsch, Wille und Streben nach Größe nicht im Größenwahn verhaftet bleiben.

Es bleibt somit zu hoffen – egal wie diese Präsidentschaftswahl ausgeht – das danach etwas vom Geist Obamas weiter wirkt. Nicht nur in der Theorie, sondern vor allem in der Praxis der politischen Streitkultur Amerikas.

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