Stacks Image 4582

Wer wählt wie und wen ins Weiße Haus und ins Capitol?

A ! S / R. Eichert · Heumaden / Stuttgart · Zahlreiche ihrer Wahlkampfreden beendet Hillary Clinton mit dem Satz we love Trumps hate. Dieser Satz, der vordergründig fast wie eine neutestamentarische Botschaft klingt, soll zum Ausdruck bringen, dass die zahlreichen Verbalentgleisungen, chauvinistischen Sprüche und tatsächlich von hate speech durchdrungenen Parolen des Donald Trump letztendlich den Demokraten und ihrer Kandidatin in die Hände spielen. Je wirrer und irrer sich Trump zeigt, desto klarer und verlässlicher wirkt im Vergleich Clinton – so das demokratische Kampagnen-Kalkül. Doch die Rechnung geht nicht richtig auf.

Trump punktet weiterhin - trotz seiner bad performance in der ersten presidential debate. Die Amerikaner scheinen in großer Zahl den „Hassprediger“ Trump ganz anders zu lieben, als es sich das demokratische Lager vorstellt. Die Annahme, Trump würde sich selbst demontieren, je rüder und lügnerischer er agiert, hat sich als Fehleinschätzung erwiesen. Er macht weiterhin Stimmung gegen das angeblich so verhasste Establishment in Washington und er zieht Stimmen auf sich. Mehr und mehr Stimmen jener Wählerschichten, die Hillary Clinton vor Wochen als die deplorable people betitelt hatte - damit die Trump-Anhänger meinend.
Doch eben diese angeblich erbärmlichen und bedauernswerten Menschen konterten diese als Diffamierung empfundene Wertung Clintons mit noch mehr Zustimmung für die einfach gestrickten Angebote und Sichtweisen Donald Trumps. Der Schuss der demokratischen Bewerberin um das Präsidentenamt, er ging nach hinten los.

Ähnlich kennen wir das aus deutschen Wahlkämpfen jüngerer Zeit, wenn Spitzenkandidaten der sich selbst so nennenden Volksparteien versuchen, das Erstarken der AfD und ihrer Anhänger verbal abzuschwächen und unter den Tisch zu reden versuchen. „Anständige Menschen wählen nicht AfD“ sagte der Spitzenkandidat der SPD im sozialdemokratisch ohnehin schwach geführten Wahlkampf Landtagswahlkampf Baden-Württemberg 2016 oft und gerne und verweigerte sich eine Zeit lang auch einer Auseinanderstzung in TV-Debatten. Am Ende gaben rund 90.000 ehemalige SPD-Wähler der AfD ihre Stimme. Was lernen wir daraus? Negative campaigning funktioniert nicht, auch nicht mit guten Absichten. Soviel zum Thema Stimmung und Stimmenfang.
Doch wie stimmen die Wähler ab, die am Ende den oder die Präsident*in Amerikas für die kommenden vier Jahre wählen werden. Stimmen sie tatsächlich ab? Irgendwie schon, aber irgendwie auch nicht.

Der oder die amerikanische Präsident*in wird nicht vom Volk direkt gewählt. Anders sieht es im Falle der Senatswahlen (im 6-Jahre-Rhythmus) aus. Hier werden bei dieser Wahl 34 Senatoren (von insgesamt 100) per Direktwahl in der Klasse 3 neu gewählt. Die derzeit 66 anderen Senatorenposten stehen aktuell nicht zur Disposition. Auch die Mitglieder (435) des Repräsentantenhauses werden gewählt (alle zwei Jahre neu). Gemeinsam bilden die Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses den Kongress. Durch die unterschiedlichen Wahlrhythmen und die von einer Präsidentschaftswahl inhaltlich abgetrennten Wahlvorgänge für den Senat und das Repräsentantenhaus kann es innerhalb einer vierjährigen Präsidentschaft zu deutlichen Verschiebungen der Mehrheiten im Kongress kommen. Es gilt bei dieser Wahl aus Sicht der Demokraten auch darum, die bestehende Macht der Republikaner im Kongress zu brechen, um einer möglichen Präsidentin Hillary Clinton das zu ermöglichen, was immer so schön das Durchregieren genannt wird. Und es geht auch um die Wiederherstellung der Ordnung, was den Obersten Gerichtshof betrifft. Dort ist seit längerer Zeit ein Sitz – übrigens verfassungswidrig – vakant.

Die Präsident*innenwahl erfolgt durch Wahlmänner/-frauen am 19. Dezember 2016. Am 08. November 2016 bzw. bis zu diesem Tag (Briefwahlverfahren und so genannte Frühwahlverfahren early bird voting sind je nach bundesstaatlichen Regelungen schon vorher möglich) wählen die amerikanischen Bürger*innen diese oder jene Wahlmänner/-frauen als Repräsentanten der Demokraten und Republikaner sowie so genannter unabhängiger Parteien/Gruppierungen.
Auf dem Stimmzettel selbst stehen jedoch nicht die Namen der Wahlmänner/-frauen sondern die der Präsidentschaftskandidat*innen und der Parteien.
Zugleich stehen auch diverse Kandidaten für Posten in öffentlichen Ämtern zur Wahl, weshalb die Stimmzettel recht umfangreich sind.

Wenn im Zuge des Wahlabends am 08. November 2016 in den einschlägigen TV-Sendungen nach Auszählung der Stimmen und per Hochrechnung verkündet wird, wer die Wahl gewonnen hat, dann bedeutet dies konkret, dass einer der Kandidierenden – infolge Stimmabgabe der Wähler in den einzelnen Bundesstaaten - mindest 270 der 538 Wahlmänner/-frauen auf sich vereinigt hat.
Entscheidend ist dabei - bereits schon seit der Vorwahlkampfphase – bestimmte Bundesstaaten mit schwankender Tendenz bzw. mit eng beieinander liegender Präferenz für die zwei Kandidierenden, jeweils für sich zu gewinnen. Es geht also vorrangig um den Stimmenfang in diesen, recht wenigen so genannten battleground states oder swing states. Denn in der Mehrzahl der Bundesstaaten ist die Ausrichtung zugunsten der Demokraten oder der Republikaner traditionell ziemlich deutlich gefestigt, sodass dort von beiden Parteien oftmals kein intensiver Wahlkampf betrieben wird.

Bei dieser Wahl gelten Colorado, Florida, Iowa, Michigan, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania, Virginia, Wisconsin und Maine als die zwölf Bundesstaaten, in denen es im Fall Clinton vs. Trump mehr oder weniger deutlich auf der Kippe steht (durchschnittliche Umfrageergebnisse diverser Quellen). In Colorado, Michigan, New Hampshire, Virginia und ggf. auch in Pennsylvania, Maine sowie in Wisconsin könnte sich Clinton am Ende behaupten. Im Ergebnis wären dies dann 76 Wahlmänner/-innen Stimmen. Sicher ist dies allerdings nicht.

Ohio, North Carolina und Iowa mit insgesamt 39 Stimmen der Wahlmänner/-innen gelten derzeit als recht sicher zugunsten Trumps. Insbesondere nach den jüngsten Vorfällen in Charlotte/North Carolina konnte Trump hier mit allerlei populistischen Forderungen hinsichtlich einer härteren law and order Gangart zulegen. Bemerkenswert ist Iowa. Hier hatte Trump vor Monaten in Reden noch die Landbevölkerung durch verbale Beleidigung gegen sich aufgebracht und nun hat er den Spieß umdrehen können. Auch in Ohio – eine Art Messlatten-Staat für Spekulationen über den Wahlausgang - läuft es aktuell für Trump leicht besser als für Clinton.
Äußerst knapp sieht es derzeit in Nevada und in Florida aus. Nach Kalifornien (55), Texas (38) und New York (29) ist in Florida ebenfalls die drittgrößte Menge mit 29 Wahlmänner/-innen Stimmen zu vergeben. Mit Florida und Nevada (6) stehen hier also 35 Stimmen zur Disposition. Holt Trump diese zwei Bundesstaaten, dann stünde es im swing state battle 76 (Clinton) zu 74 (Trump) - damn close.

Aufgrund dekadenlang errechneter Durchschnittwerte gelten Alabama, Alaska, Georgia, Idaho, Indiana, Kansas, Kentucky, Louisiana, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, North Dakota, Oklahoma, South Carolina, South Dakota, Tennessee, Texas, Utah, West Virginia und Wyoming als Hochburgen der Republikaner. Insgesamt für Trump 180 Wahlmänner / -innen Stimmen.
Als Hochburgen der Demokraten gelten die Bundesstaaten Connecticut, Delaware, Hawaii, Illinois, Kalifornien, Maryland, Massachusetts, Minnesota, New Jersey, New Mexico, New York, Oregon, Rhode Island, Vermont, Washington und DC. Insgesamt für Clinton 208 Wahlmänner / -innen Stimmen.
Nach aktuellem Umfragestand ergäbe sich somit folgendes Ergebnis. Clinton 284, Trump 254. Würde Hillary Clinton aber letztendlich ein oder zwei swing states mit mindestens 16 Wahlmänner/-innen Stimmen an Trump verlieren und dieser würde seine aktuellen Werte bis zum Wahlabend halten können, dann stünde es 268 für Clinton und 270 für Trump, der dann amerikanischer Präsident wäre. Es bleibt also spannend bis zur letzten Minute am 08. November 2016.

Abschließend sei noch folgendes erwähnt. Es gibt eine so zu nennende last exit strategy, um einen Donald Trump im Amt des amerikanischen Präsidenten trotz eines knappen Mehrheitsergebnisses für ihn infolge der Wahlmänner/-innen Anzahl, zu guter Letzt noch zu verhindern. Denn die Wahlmänner/-innen sind in zahlreichen Bundesstaaten nicht gesetzlich daran gebunden, das Votum der Wähler eindeutig umzusetzen. Im Falle eines knappen Siegs für Trump könnte eine Hand voll republikanischer Wahlmänner/-innen die Revolution proben und ihr Votum am 19. Dezember 2016 nicht für ihn, sondern für Hillary Clinton abgeben oder sich der Stimmabgabe verweigern. In seltenen Einzelfällen wurde bei Präsidentschaftswahlen in den USA von dieser legalen Möglichkeit Gebrauch gemacht; meist aus persönlichen Enttäuschungsgründen Einzelner oder sehr weniger Wahlmänner/-innen bei Wahlergebnissen, bei denen eine derartige Stimmenverweigerung keinen Einfluss auf die Wahl des Präsidenten hatte.
Bei der aktuellen Wahl ist es jedoch so, dass weite Kreise der Republikaner sich durch den Kandidaten Donald Trump nicht angemessen repräsentiert sehen und seine Kandidatur trotz seines hohen Popularitätswertes und Kampagnenerfolgs eher als einen Unfall betrachten, den sie selbst als Partei verschuldet haben ohne richtig zu wissen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Hinter den Kulissen rumort deshalb weiterhin die Frage im republikanischen Lager, ob es mit Trump als Präsident vier Jahre lang gut laufen könnte oder ob der zu zahlende Preis der Peinlichkeit mit einem Tölpel an der Spitze von gods own country dann doch zu hoch wäre.

Auf der Tafel in der Halle des Lincoln Memorial endet der Text der Gettysburg Adress mit den Worten – and that government of the people by the people for the people shall not perish from the earth.
Mit Donald Trump als Präsident werden die Vereinigten Staaten von Amerika nicht von der Landkarte verschwinden. Aber es bestünde die Möglichkeit, das die amerikanische Nation für vier Jahre zur Lachnummer in der Welt wird. Eine Furcht, die auch Newt Gingrich, John McCain, George H. W. Bush und sogar Sarah Palin in diesen Wochen hegen dürften. Von Ronald Reagans nervösem rotieren im Grab ganz zu schweigen.

Lesen sie im nächsten Artikel „Das Duell · Teil 2“.

blog comments powered by Disqus
SAVE THE DATE


KOMMENDE VERANSTALTUNG
IST IN PLANUNG FÜR 2022.

ANZEIGEN







Hier könnte Ihre Anzeige stehen.