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Die Iden des März · Steht uns noch mehr Unheil bevor?

Dieser Artikel hat 1.201 Wörter, durchnittliche Lesezeit ca. 5 Min.

Ich hatte als junger Mann mal eine Therapeutin deren grundsätzliches Statement lautete - man braucht immer genauso lange, um aus der Sch**ße herauszukommen, wie man Zeit hatte, in die Sch**ße hineinzugeraten. Bei mir hat’s gewirkt, ich wurde als geheilt entlassen und gebe seit dem kluge Ratschläge. Je älter ich werde, umso mehr.

Als ich Mitte März 2020 aus nebenberuflichen Gründen im deutschen Bundestag weilte, um dort diverse Gespräche zu führen, war das Virus schon in aller Munde. Man lernte, dass das Virus selbst namentlich als SARS-CoV-2 benannt wird, der Begriff Corona auf die kronenförmige Form des winzigen Biests zurückgeht und das - wegen des Entdeckungsjahres - die bedrohliche und Tod bringende Erkrankungsmöglichkeit Covid-19 heißt. Was man damals noch nicht so richtig und schnell lernen wollte, dass war der Begriff Pandemie. Epidemie ja - but not in my backyard.

Die ersten Fälle in Deutschland - frühe Hot-Spot-Szenarien z.B. bei Webasto oder im Landkreis Heinsberg - wurden zwar ernst genommen und es wurden nötige Maßnahmen, wie Quarantäne und Tests im Umfeld der Infizierten ergriffen und unternommen, aber so richtig wollte noch niemand an den gewissermaßen vorprogrammierten Umstand glauben, dass das Virus uns alle ohne jeden Standesdünkel befallen wird. Erst die damals dann postum vorgenommen Recherchen bezüglich der Spreading-Hochburg Ischgl bewirkten Einsicht und Verständnis dahingehend, dass es kein Entrinnen für niemanden gibt.

Mitte März 2020 weilte ich knapp eine Woche in meiner Homebase Berlin. Der SPD-Politiker Hubertus Heil hatte sich zu dieser Zeit wegen Kontakt mit infizierten Kolleg*innen, vernunftbegabt und vorsorgend selbst für einige Tage in häusliche Quarantäne begeben. Und ich hatte den Besuchstermin bei meiner 85-jährigen „Risikogruppen-Mutter“ in Berlin-Moabit aus gesundheitlich vorbeugenden Verantwortungsgründen abgesagt. Zurück in meiner Wohnstadt Stuttgart begab ich mich dann schnurstracks in den persönlichen Lockdown-Modus, soweit ich das durch eigenes Verhalten konnte. Keine ÖPNV-Fahrten mehr, nur noch PKW. Keine unnötigen beruflichen Termine mit Kunden. Ich bin von Beruf Grafik-Designer. Treffen mit Freunden, Familienmitgliedern und Nachbarn fanden nur noch sehr selten statt.

Meine Frau schmiss die Nähmaschine an und schneiderte aus einem engfaserigen Lappen zwei Masken. Wir gedenken diese zwei Artefakte demnächst einem Völkerkunde Museum zu übereignen. Schon deshalb, um Archäologie-Studenten in weit entfernten Generationen nach uns, das mühselige Herumstöbern im Erdreich und das Ausgraben zu ersparen.

Die Bundesregierung, ihre wissenschaftlichen Berater*innen und so ziemlich alle Talk-Show Gäste waren im März 2020 noch der Meinung, Masken bringen nichts. Tatsächlich bringen Masken als helfender Bestandteil im Rahmen einer komplexen Pandemie-Eindämmungs- und Bekämpfungsstrategie selbstverständlich etwas. Eine ist immer besser als keine. Es waren am internationalen Markt damals nur zu wenig Masken verfügbar. Man hatte keine - auch nicht in den Lagerhallen für Katastrophenschutz des Bundes, der Länder und der Kommunen. Also hieß es, bringt nichts. Weil man keine Masken beibringen konnte.

Immerhin - dem internationalen Netzwerk der biologischen Wissenschaften sei Dank - kapierten die Forscher*innen und die CEOs in Bio-Tech-Unternehmen sofort, was Tango ist. Weltweit wurde umgeschaltet in Forschung und Produktion. Vaccine first. Langjährig bereits laufende Forschungs- und Entwicklungsprogramme wurden rasant beschleunigt. Produktionskapazitäten wurden aufgebaut und binnen eines Jahre liegen bis dato eine Hand voll zugelassener und wirkungsfähiger Impfstoffe bereit. Von Null auf Hundert gewissermaßen. Ja - auch durch enorme staatliche Finanzhilfen, wenn gleich weltweit höchst unterschiedlicher Natur und leider auch nicht hinreichend gut abgesprochen bzw. koordiniert. Der Order-Streit in der Europäischen Union ist dabei nur ein mißliches Beispiel.

Im Oktober 2021 wurde ich 60 Jahre alt. Ich hasse das Altern. Wer nicht, der oder die lügt. Dennoch hatte es etwas aktuell Gutes. Durch den geburtsbedingten Schritt in meine 60er Dekade machte ich plötzlich einen Riesensprung auf der STIKO-Liste (Ständige Impfkommission) in die altersbedingte Risiko-Gruppe 3. Obwohl, so genau stimmt dies nicht.

Das deutsche Bürokratentum kann sich ja nicht mit einer einzigen klar gültigen Vorgehensweise zufrieden geben. In Gruppe 3 bin ich streng genommen, wegen der Kategorisierung gemäß § 4 der „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV)“, als Person, „die das 60. Lebensjahr vollendet“ hat. Gemäß „Stufenplan der STIKO zur Priorisierung der Covid-19-Impfung“ befinde ich mich jedoch in Stufe 5. Personen über 60 Jahre und ein paar systemrelevante Bevölkerungsgruppen. Zwar tauchen in der Verordnung des Bundes und im Stufenplan der STIKO kreuz und quer nahezu dieselben Nennungen von vorrangig und nachrangig zu impfenden Personengruppen auf, aber eben in einer völlig unterschiedlichen Systematik. e

Noch etwas hilfreiches für mich persönlich trat Mitte 2020 ein. Mein 20 Jahre lang privatvorsorgend angesparte berufsgruppenspezifische Altersversorgung wurde ausgezahlt. 10 Jahre Draghi-Null-Zins-Politik inklusive. Zum aktuellen Durchfüttern reicht es und so habe ich bisher die Bazooka mit Kleinwaffenarsenal aus dem Hause Scholz & Friends noch nicht in Anspruch genommen. Werde es aber jetzt, da die Iden des März bevorstehen, tun.

Ein Jahr persönlicher Lockdown haben mir bisher nicht wirklich geschadet. Erwerbsmäßig natürlich schon deutlich, als Betroffener in der Kette der direkt, indirekt und durch Dritte Betroffenen, wie es im Text zur Erläuterung der Bundeshilfen für Soloselbständige so schön heißt. Aber nicht psychisch und sozial. Beruflich arbeite ich ohnehin - neben einer zehnjährigen Unterbrechung als festangestellter art director in einer Werbeagentur - seit nunmehr 35 Jahren als Freiberufler. Freude am und Liebe zu einem kommunikativen und kreativen Beruf sind meine wesentlichen Resilienzmotoren - insbesondere in diesen Krisenzeiten. Und das so genannte social distancing ist ja tatsächlich gar kein solches, sondern nur ein physical distancing. Ohne Internet-Anschluss ist man allerdings aufgeschmissen.

Die Lage ist ernst und wird noch länger ernst bleiben, aber kein Grund zum Trübsal blasen. Das Leben besteht aus Freud und Leid. In manch anderem Land der Welt überwiegt das Leid. In dem Land in dem ich lebe nicht. Natürlich begegne auch ich der Virus-Pandemie nicht mit Freude, sondern mit klarem Ernst und voller Aufmerksamkeit. Ja - auch mit einem Moment gefühlter Hilflosigkeit und diffuser Furcht. Wahre Angst treibt mich allerdings nicht um.

Gerade in Krisenzeiten, so habe ich es gelernt, gilt es, sich den Fakten und Sachlagen klar zu stellen und mit ihnen auseinanderzusetzen. Man will doch in der Krise aus der Krise raus. Gejammert und Geheult wird später. Wenn die Lasten abfallen, wenn das Licht am Ende des Tunnels kein Flämmchen mehr ist, sondern der volle Sonnenschein wieder strahlt. Die Trauerarbeit steht uns allen noch bevor, wenn es gut läuft, auch mit ehrlichem Verzeihen. Jetzt aber ist nicht die Zeit den Tod zu fürchten, sondern es ist Zeit das Leben zu behaupten. Mit Impfstoffen wider das Wirken des ungebetenen Gastes SARS-CoV-2 in unseren zellulären Wirtshaushalten.

Lassen Sie sich impfen. Nehmen Sie Impftermine wahr, auch wenn manche Vermittlung noch schwierig ist. Verlieren Sie sich nicht in laufende und zum Großteil irrwitzige Debatten um einzelne Impfstoffe und derzeit noch bestehende Produktionsstaus und Lieferengpässe. Stellen Sie sich vor, das Virus gewinnt, nur weil Sie sich zu lange und zu zögerlich selbst auf die Verliererseite begeben haben. Sie sind verantwortlich. Im Zweifelsfall auch für ihr eigenes Unheil im heilungsorientierten Gesundheitssystem.

So - und jetzt quäle ich mich wie fast an jedem Sonntagabend durch die Plauderrunde in der Anne Will Talk-Show und erfreue mich an der Eloquenzrelevanz der geladenen Gäste. Und währenddessen lösche ich die deutsche Corona-Warn-App auf meinem SmartPhone.

In diesem Sinne. Bleiben sie unverzagt und tun Sie nichts, was ich nicht tun würde. Und ich gehe zum Impfen, sobald man mich lassen können wollen tut.

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