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Hält doppelt besser? SPD sucht neue Wege (Teil 1) · Historischer Ausflug

Seit wenigen Wochen wird diskutiert, inwieweit das aktuelle Verfahren einer Mitgliederbefragung zur Nominierung eines Zweier-Teams oder einer Einzel-Person für das Amt des Parteivorsitzes gemäß der SPD-Statuten sinnvoll oder gar zulässig ist. Hierbei gilt es Begrifflichkeiten klar anzuwenden und einzelne Passagen des Partei-Statuts heranzuziehen, um zu einer möglichst eindeutigen Bewertung dieser Frage zu gelangen. Zudem lohnt es sich, zunächst einen genauerer Blick in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie in Sachen ihrer innerer Führung zu werfen.

In ihrer Geschichte seit 1946 hatte die SPD innerhalb von rund 40 Jahren bis 1987 drei Vorsitzende, Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer und Willy Brandt. Ab 1987 - mit Hans-Jochen Vogel beginnend - bis heute hatte sie in 32 Jahren insgesamt 13 Parteivorsitzende (inkl. Franz Müntefering mit zwei Amtsperioden und ohne kommissarische Vorsitzende). Und davor - vor 1946?

Als Geburtsjahr der SPD gilt die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) durch Ferdinand Lassalle im Jahr 1863 - 2013 als 150-jähriges Jubiläum groß gefeiert. Der Gothaer Parteitag 1875 - Zusammenschluss von ADAV und der von August Bebel und Karl Liebknecht gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) - ist allerdings als die Wiege und Kinderstube der SPD, wie wir sie im Zuge ihrer weiteren Entwicklungen bis heute kennen, anzusehen. Und bereits damals herrschte trotz der Vereinigung von ADAV und SDAP zu Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) in Gotha, unter der Mitgliedschaft und beim Führungspersonal keineswegs Harmonie und eitel Sonnenschein.

Inhaltlich, programmatisch und politik-perspektivisch waren Lager- und Flügelkämpfe sowie allerlei Konkurrenzdenken mehr oder weniger intensiv in diesem oder jenem Punkt weiterhin integraler Bestandteil der geeinten und neu gegründeten SAP. Und was macht man, wenn es im inneren knirscht und brodelt, wenn es ideologisch in viele Richtungen driffted und zahlreiche Meinungen und Konzepte dennoch unter einen Hut gebracht werden müssen, der für alle passt? Man zwingt nicht alle unter einen Hut, sondern man setzt sich zwei auf - auf je einen Kopf.

Kluge Köpfe in der damaligen SAP entschieden deshalb, dass die einig unterschiedlichen Parteiströmungen gleich vom Start weg von einer Doppelspitze im Vorsitz der Partei geführt werden sollen - Wilhelm Hasenclever und Georg Wilhelm Hartmann.

Das Zweier-Kollektiv an der Parteispitze bewährte sich, vor allem in den harten Zeiten zwischen 1878 und 1890, da die SAP wegen der Sozialistengesetze verboten war. Ab 1890 bestand die Doppelspitze im Parteivorsitz - der sich ab dann SPD nennden Partei - aus Paul Singer und Alwin Gerisch.

1892 löste August Bebel Gerisch ab. Nach dem Tod von Bebel und Singer wurden Friedrich Ebert und Hugo Haase zum Führungs-Duo gewählt und repräsentierten weiterhin in altbewährter Manier die wesentlichen Flügel der SPD. Erst 1917, mit der Abspaltung durch Hugo Haase und der Neu-Gründung der USPD änderte sich das duale Prinzip im Falle des SPD-Vorsitzes. Noch zwei Jahre lang führten Ebert und Scheidemann die Partei, traten dann aber 1919 zurück, um sich in der Weimarer Republik auf die neuen Aufgaben als Reichspräsindent und Reichskanzler zu konzentrieren.

Ihre Nachfolger wurden Otto Wels und Hermann Müller, wobei sich in diesem Zweier-Team die bis heute ausgeübte Praxis abzeichnete - Aufteilung der Führung der Partei (Wells) und der Fraktion (Müller). Nach der Wiedervereinigung von SPD und USPD im Jahr 1922 wurde sogar Arthur Crispien (USPD) zum dritten gleichberechtigen Parteivorsitzenden neben Wells und Müller gewählt. Seine Aufgaben bestanden vornehmlich in der Organisation der Auslandskontakte im sozialistischen Lager. Stichwort hier - Sozialistische Internationale.

Mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ (Ermächtigungsgesetz), setzte die NSDAP dann dem damaligen Wirken der deutschen Sozialdemokrtie ein bitterböses Ende. Eine gewalttätige und unmenschliche Zäsur des nationalsozialistischen Regimes, mit der aber die gänzliche Zerschlagung, gar das Auslöschen der SPD nicht gelang.

Zieht man historisch Bilanz, so wurde die SAP / SPD seit den Tagen von Gotha (1897) bis 1933 durchgehend 36 Jahre lang von einem Zweier-Team im Amt des Parteivorsitzes geführt. Erst ab 1945 / 1946 als Kurt Schumacher die Wiederbelebung der SPD im Nachkriegsdeutschland zu organisieren begann, führte er das Ein-Personen-Prinzip für das Amt des Parteivorsitz ein, das seit dem rund 73 Jahre lang nicht in Frage gestellt wurde. Doch - und Willy Brands fast allzeit gültiger Satz über das Antworten finden auf der Höhe der Zeit kann nicht oft genug zitiert werden - es ist erneut an der Zeit Führungsfragen in der SPD zu klären und gegebenfalls neu zu regeln.

Das dabei die Personalien mit inhaltlichen Konzepten Hand in Hand gehen müssen, sollte außer Frage stehen. Die Zeiten von individuellen oder gruppendynamischen Irrfahrten auf Personalkarussellen sind enggültig vorbei.

Es gilt, die nach wie vor gute Substanz der deutschen Sozialdemokratie in - eben zeit- und gesellschaftsgerechte sowie zukunftstaugliche - Bahnen zu lenken; aus der bewährten Substanz heraus neue Mischverhältniss mit Antworten auf die Fragen auf der Höhe dieser Zeiten am Beginn der 20er Jahre des 21. Jahhunderts zu finden.

Dieser Such-und-Find-Prozess hat am 01. Juli 2019 per Vorstandsbeschluss mit einem Bewerberfahren um den Parteivorsitz (bis zum 01. 09. 2019 laufend) begonnen, wird mit einer daran anschließenden bundesweiten Präsentations-Tour der Bewerber*innen auf Diskussionsveranstaltungen fortgesetzt sowie mit einem abschließenden Mitgliederentscheid (im Zeitraum 14. bis 25. 10. 2019) abgeschlossen.

Der so genannte Mitgliederentscheid ist eher eine Mitgliederbefragung bzw. eine ziemlich aufwendige und kostspielige Meinungsumfrage unter der SPD-Mitgliedschaft auf der Grundlage des Organisationsstatut § 14, Abs. (11): „Im Vorfeld von parteiinternen Vorstandswahlen können Mitgliederbefragungen durchgeführt werden. Der Parteivorstand beschließt hierzu eine Verfahrensrichtlinie.“

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