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Prozentrechnung - mal nüchtern betrachtet

Schauen Sie mal auf das Etikett einer Flasche Weizenbier und einer Flasche Raki. Da steht jeweils der Alkoholgehalt in Vol. % drauf – Volumenprozent. In der Regel 5,5 Vol. % beim Weizenbier und mindestens 40 Vol. % beim Raki. Würde ein Türke in Deutschland 500 ml Weizenbier trinken, so landen 27,5 g Alkohol in seiner Blutbahn. Diesen Pegel erreicht der Deutsche beim Raki-Trinken bereits nach 100 ml – fünf Kurze. Zack-Zack und Hopp, rein in Kopp.

Zahlreiche deutsche Medien sagen, senden und schreiben derzeit nach dem Referendum in der Türkei hinsichtlich der Ja-oder-Nein Entscheidung bezüglich des, auf eine Art Alleinherrschaft hinauslaufenden, Präsidialsystems á la Erdogan, dass die wahlberechtigten Türken in Deutschland gegenüber dem berechtigten Wahlvolk in der Türkei selbst - so zu sagen „über den Durst hinaus“ - mit Ja gestimmt haben.

Gesamtergebnis in der Türkei: 51,4% Ja-Stimmen. Abstimmungsergebnis der wahlberechtigten Türken in Deutschland: 63,1% Ja-Stimmen. 11,7% über den Durst in Deutschland. Wer hat hier zuviel getrunken? Die Türken in Deutschland oder die deutschen Medien? Schauen wir uns doch mal die Gesamtpopulation vor Ort an.
1,4 Millionen Türken in Deutschland waren wahlberechtigt. 50% - die Hälfte aller wahlberechtigten Türken in Deutschland – nahm an der Abstimmung zum Referendum gar nicht teil – 700.000 Wahlberechtigte. Dieser Gruppe ist zu mindest zu unterstellen, dass ihr das Ganze wurscht war. Durchaus logisch für Türken, die seit Jahren und Jahrzehnten fern der Heimat in Deutschland leben und somit nicht oder nur sehr latent von den nationalen Entwicklungen in der Türkei betroffen sind.

Die andere Hälfte, ebenfalls rund 700.0000 Türken in Deutschland, nahm ihr Wahlrecht war. Ja oder Nein zum Referendum. 63,1%, 441.700 Wähler aus dieser Gruppe votierten mit Ja. Gegenrechnung – 36,9% votierten mit Nein – 258.300 wahlberechtigte Türken in Deutschland. Nennen wir sie die entschiedenen Nein-Sager. Und nennen wir die Nicht-Wähler aus der wahlberechtigten türkischen Community Mir-doch-Wurscht-Klientel (weil sie die türkischen Entwicklungen als in Deutschland lebende Population kaum interessiert).
Addieren wir nun – bei Entweder-Oder-Referenden im Unterschied zu Parlamentswahlen mit mehreren Abstimmungsoptionen als nur Ja oder Nein, durchaus legitim – die Nein-Sager und die Mir-doch-Wurscht-Klientel, als die NichtJa-Sager, so erhalten wir aus 700.000 wahlberechtigten Nicht-Wählern und 258.300 Nein-Sagern insgesamt 958.300 von 1,4 Millionen wahlberechtigter Türken in Deutschland, die zu Erdogans Referendum nicht Ja gesagt haben.
Das macht 68,45% wahlberechtigte Türken in Deutschland, die Erdogans Politik – zumindest bei diesem Referendum – nicht folgen wollten. Etwas mehr als zwei Drittel aller wahlberechtigten Türken hierzulande. Und übrigens – prozentuale Zustimmung der wahlberechtigten Türken in Österreich 73,5 %, Niederlande 71,0%, Belgien 75,1%, aber Schweiz 38,0% (Quelle Berliner Morgenpost Online, 16.04.2017 laut Nachrichtenagentur Anadolu).

Der Umstand, das in den meisten Medien hierzulande nun darüber diskutiert wird, dass angeblich die Türken in Deutschland fast eine Art Steigbügelhalter-Funktion für Erdogans Politik innehaben sollen und das gar langjährige Integrationskonzepte als fehlgeleitet hinterfragt und teilweise bereits klar als gescheitert bewertet werden, bleibt mir unverständlich. Die Türken in Deutschland – rund 3 Millionen und davon die 1,4 Millionen Wahlberechtigte in Sachen türkischer Politik, sie haben insgesamt nicht für Erdogan gestimmt. Darauf einen Ayran mit einem ordentlichen Spritzer Raki.

Tun wir also nicht mit politischen Tränendrüsen-Statements so, wie z.B. die Landesvorsitzende der SPD in Baden-Württemberg, Leni Breymaier, als wäre ausgerechnet in Sachen Integration der Türken in Deutschland noch vieles im Argen: „Ich verstehe die offenbar hohe Zustimmung der Türken in Deutschland zu dieser Verfassungsänderung nicht. Es zeigt, dass Verständigung und Integration bei uns noch viel Herzblut benötigen. Von allen Seiten.“ und weiter, „Es wird jetzt darauf ankommen, einen Weg zu finden, der Brücken aufbaut anstatt sie abzureißen. Aber wie dieser Weg genau aussehen kann, dazu fällt mir im Moment noch nichts ein. Ich bin einfach nur entsetzt.“, schwurbelt Breymaier im üblichen Sozi-Jargon durchs Netz.
Eben nicht. Eben nicht von allen Seiten und eben nicht wegen der Türken in Deutschland oder wegen der Deutschen. Das Erdogan-Regime ist in Sachen Verständigung, Integration und Völkerverständigung auf dem Holzweg und selbst in der Bringschuld, eingerissene Brücken wieder aufzubauen. Nicht wir in Deutschland mit den Türken bei uns oder in Europa insgesamt. Nicht hier pocht Herzblut, sondern in der Türkei bluten die Herzen.

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